Was Startups von Deming lernen können

Schulze hatte sich schon geraume Zeit gefragt, was die Tunicht&Gut GmbH denn nun genau mit ihrer neusten Errungenschaft, einem hippen Startup-Inkubator in der nahegelegenen Großstadtmetropole vorhatte. Die Geschäftsführung hatte es meisterhaft verstanden, nur eine Handvoll Eingeweihte in den konspirativen Deal einzubeziehen, um auch ja keine Begehrlichkeiten oder gar Ansprüche in der etablierten Führungsriege des Kernunternehmens zu wecken. Soweit, so gut. Nur brauchte das zarte Startup-Gewächs neben reichlich Enthusiasmus, Designersofas und Industrielook sowie den neusten Scrum- und Design-Thinking Workbooks eben auch noch kompetente Mitarbeiter und genau da lag in Schulzes Augen der Hase im Pfeffer.

Die Geschäftsführung hatte bei de Personalauswahl akribisch darauf geachtet, dass keiner der bürokratischen Wichtigtuer, Bremser oder Reichsbedenkenträger, Attribute, die ihrer Ansicht nach allesamt auf Leute wie den alten Schulze zutrafen, Wind oder gar Zugriff auf die Freigeister und deren Innovationsbemühungen im Inkubator erhielten. Die Idee dahinter, so eindeutig wie oberflächlich. Ruhe vor Einwänden und Risiken würde die Kreativität erhöhen und Durchlaufzeiten radikal senken und damit den lang ersehnten Markerfolg in ungeahnte Höhen katapultieren. Man  wäre endlich wieder dort, wo man schon lange wieder hingehöre, so die siegessichere Erfolgsformel der Manager. Das nun turnschuhtragende Mittzwanziger mit stylischen Ray Ban-Brillen und zartem Flaum auf den Wangenknochen an Geschäftsmodellen und Produktideen zauberten, ohne irgendeine relevante Wissensbasis oder systematische Vernetzung zu dem immerhin viele Jahrzehnte weltweit erfolgreichen Industrieunternehmen aufrechtzuerhalten, wollte dem Prozessdenker Schulze so gar nicht in den Kopf. Selbstverständlich brauchten Innovationen Querdenker, ja, aber was genau charakterisierte einen solchen? Waren nicht auch im Mutterunternehmen genügend Menschen, die nur darauf warteten, ihr kreatives Potential für neue Produktideen und Geschäftsmodelle abzurufen? Seit wann hing die Innovationsfähigkeit von Menschen von deren Alter ab? Und war es nicht genau diese Mischung aus Erfahrung und unbedarfter Neugier, die den Erfolg brachte? Schließlich hatte schon Thomas Alva Edison die nur allzu strapazierte Innovationsformel von 1% Inspiration und 99% Transpiration aufgestellt. Und überhaupt, was sagte dies über das Menschenbild und das Vertrauen der Unternehmensführung in die Mitarbeiter des eigenen Ladens aus? Schulzes Hals fühlte sich trocken an.

Selbst der amerikanische LEAN Startup-Vordenker Eric Ries verwies in seinen zahllosen Vorträgen immer wieder auf die unabdingbare Vernetzung interdisziplinärer Fachbereiche, um Innovationen auf den Weg zu bringen. Zudem hatte gerade ER originäre Qualitätsmethoden wie 5W oder den PDCA-Zyklus mit einfachen Modifikationen für unbedarfte Startups salonfähig gemacht und als Erfolgsgaranten etikettiert. Wenn das mal kein Hinweis darauf war, dass die gute alte Erfahrungswelt der Dinosaurier im Kernunternehmen wohl doch nicht so ganz zum alten Eisen gehörte. Nur die Kosmopoliten der Geschäftsführung gaben sich betont lässig, aber dennoch  mondän auf diversen Startup-Konferenzen und wollten von all dem Bewahrergetue in der Heimat nichts hören. Schließlich war man zu Höherem bestimmt. Und so spielten die unbekümmerten Jünglinge weiterhin unbekümmert Tischkicker, tranken hippe Brausen aus amerikanischen Kühlschränken und warfen, auf Designersofas lümmelnd, Tennisbälle gegen die schicken Backsteinfassaden ihres sündhaft teuren Innovationstempels. Nur die ganz große, disruptive Idee ließ noch auf sich warten.

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